Es liegen nur noch wenige Tage vor meiner Abreise und der Abschiedsschmerz macht sich langsam breit. Die Koffer sind zur Hälfte gepackt und ein paar Abschiedsfeiern liegen noch vor mir. Vermehrt führe ich in letzter Zeit Gespräche über vergangene Erlebnisse, lasse das letzte Jahr Revue passieren… Alles begann Anfang August im letzten Jahr. Zu viert bestiegen wir in Hamburg einen Flieger in Richtung Dubai und weiter nach Daressalam. Zu dem Zeitpunkt wusste noch niemand von uns Praktikanten, was uns in Tansania erwarteten würde. Voller Vorfreude und Nervosität kamen wir in Daressalam an und wurden von unseren zwei Vorgängern in Empfang genommen. Da wir uns anfänglich völlig unbeholfen in der uns so fremden Stadt bewegten, bekam unsere Vorgängerin Franzi den Namen Mama Watoto (Mutter der Kinder), da sie meist voran und wir anderen hinterher wie eine Entenfamilie durch die Straßen liefen. Nun, ein Jahr später haben sich die Rollen getauscht und wir sind nun in der Position der Vorgänger.
Nach ein
paar Wochen in Tansania, in denen ich zunehmend vertraut mit der neuen Umgebung
worden war, begann meine Arbeit im Babawatoto Centre. Doch von Arbeit war zu
Anfang noch nicht zu sprechen, da mein Chef es mir wegen meiner noch nicht
vorhandenen Residence Permit schwer machte und ich keine regelmäßigen
Unterrichtsstunden abhalten durfte. In dieser Zeit verbrachte ich viel Zeit mit
den Akrobatikjungs des Centres, die mir mit großer Leidenschaft ihre
Akrobatikkunststücke beibrachten und voller Stolz meine Kiswahili-Lehrer waren.
Doch auch nach einigen Monaten durfte ich immer noch nicht regulären Unterricht
abhalten. Ab und zu nahm ich daher ein paar Kinder beiseite unterrichtete ein
bisschen Englisch und Tanzen, nahm an Workshops teil und begleitete die Kids zu
Shows, ständig in der Hoffnung bald richtig durchstarten zu können. Doch auch
nach dem Zwischenseminar im Januar war der Zustand unverändert, sodass ich mich
auf die Suche nach einem neuen Projekt machte. Nach vielen Emails, Telefonaten
und Projektbesichtigungen stieß ich auf das RED House. Sofort konnte ich dort mit
neuen Projekten beginnen, die mir Spaß machten und mein Chef war für alle neuen
Ideen offen. So konnte ich meine Pläne problemlos verwirklichen. Ich begann vormittags
im Kindergarten Lesen und Schreiben zu unterrichten und mit den Kindern zu
spielen, ging gegen Mittag in Secondary und Primary Schulen, um dort Englisch
und Sport zu unterrichten. Abends folgte dann ab und zu der Deutschunterricht
mit der RED House Family, unseren tansanischen Kollegen, die mich und meine
Projektpartnerin Nina baten, ihnen doch ein bisschen unserer Muttersprache beizubringen.
Durch meinen
Projektwechsel lernte ich viele neue Leute kennen und bekam einen Einblick in
eine ganz andere Seite Daressalams. Der Anfang im RED House war gewissermaßen
ein Neuanfang, bei dem ich alle meine Gedanken in die Tat umsetzen konnte und
mir nichts und niemand im Weg stand. Zusammen mit meinen RED House Kollegen
erlebte ich viele unvergessliche Momente. Wir besuchten Mama Elia, eine Maasai
Frau, deren Kinder in den RED House Kindergarten gehen. Zusammen mit meinem
Chef reisten meine Mitpraktikantin Nina und ich in Richtung kenianischer
Grenze, wo wir nach endlosen Stunden im Bus und einem mehrstündigen Fußmarsch
herzlich in ihrem Heimatdorf empfangen wurden und dort ein paar unvergessliche
Tage verbrachten. Im RED House veranstalteten wir monatlich Culture Partys, bei
denen wir mit Freunden, Nachbarn, Kollegen und Bekannten beisammen saßen,
kochten, aßen, tanzten und über verschiedene
Landessitten sprachen. So war das RED
House nicht nur ein Arbeitsplatz sondern ein Ort, an dem man Freunde traf,
lernte, sich austauschte und trotzdem auch Zeit für sich selbst hatte.
Besonders viel Glück hatte ich mit meinen Kollegen, auf die ich mich einfach
immer hundert prozentig verlassen konnte und die immer mit vollem Herzblut bei
der Sache waren. Auch nach einem Jahr in Tansania bin ich immer noch
beeindruckt von der Leidenschaft und auch der Gastfreundschaft vieler Menschen.
Obwohl ich zuletzt alleine gelebt habe, gab es keinen Moment, in dem ich mich
einmal einsam fühlte. Ständig kam Besuch vorbei oder ich war selbst unterwegs.
Meine Vermieter nahmen mich wie ein Familienmitglied auf, kochten ab und zu für
mich mit und die Kinder kamen abends häufiger vorbei, um ein bisschen zu
erzählen. Und wenn man doch einmal allein Zuhause war, konnte man einfach zwei
Schritte aus der Tür gehen und einen Plausch mit dem netten Dukaverkäufer halten.
In den
letzten zwei Wochen habe ich zwar nicht mehr an den Schulen unterrichtet war
jedoch oft im RED House. Mit Projektgeldern aus Deutschland war es mir möglich
einen Laptop für meine Arbeitsstelle zu besorgen. Bislang hatten wir einen
älteren Computer, an dem wir Office Arbeit erledigten, Emails an Spender
versendeten, in Kontakt mit ehemaligen RED House Freiwilligen und Freunden
standen und auch Unterricht vorbereiteten. Allerdings ging dieser Laptop vor
einigen Wochen kaputt, sodass ich entweder meinen privaten Laptop mitbringen
oder diese Aufgaben von zu Hause aus erledigen musste. Die Anschaffung des
Laptops war daher die letzte große Aufgabe vor meinem Abflug.
Und kaum hat
man sich ein komplett neues Leben aufgebaut, ist es wieder Zeit sich von allem
zu verabschieden. Vor einem Jahr hätte ich nie erwartet, dass mir der Abschied
von diesem Land und seinen Leuten einmal so schwer fallen würde. Innerhalb
weniger Monate habe ich Tansania und die mir einst so fremde Kultur lieben gelernt,
viele Freundschaften geschlossen und wunderbare Orte entdeckt. Zwar freue ich
mich darauf, viele liebe Menschen in Deutschland wieder in die Arme schließen
zu können, momentan überwiegt allerdings der Abschiedsschmerz. Nach all den Erlebnissen des letzen Jahres kann
ich allerdings sicher sagen, dass dies nicht mein letzter Besuch in diesem
unbeschreiblich schönen Land war.